Sonntag, 25. Februar 2018

Händel - Alcina, 24.02.2018

Acht Tage nach der Premiere (mehr hier) hat sich Alcina deutlich gesteigert. Und das lag primär am Dirigenten Andreas Spering, der -wie ein Blick auf die Uhr nahe legte- den ersten und zweiten Akt schneller anging, flexibler und federnder spielen ließ und zu alter Stärke zurückfand - Resultat war ein wunderbar differenzierter Klang. (War das zuvor Probenrückstand und/oder Rücksichtnahme auf die Sänger?)
Schwachpunkt bleibt die Personenregie, die nur denen zusagt, die gerne schwach gebrühten, koffeinfreien Instantkaffee aus ausgesucht schönen Tassen lauwarm trinken. Wer hingegen glaubt, daß Eifersucht die Leidenschaft ist, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft, der wird sich mit der statischen, güldenen Schwermut der Inszenierung kaum abfinden. Gerade Alcina ist eine der Händel-Opern, die keine abstrusen Intrigen oder krude Dramaturgie aufweisen, sondern ein nachvollziehbares menschliches Drama, dessen Rezept eher eine starke, rot-heiße Fallhöhe zu fordern scheint. Und überhaupt und bei aller Liebe zu Händels Opern und den Karlsruher Händel Festspielen, muß hier noch mal Deutliches geschrieben werden. Kann man das, was Regisseur James Darrah hier dem Publikum zeigt, überhaupt als Regie bezeichnen? Ist es nicht vielmehr ein Alibi-Arrangement eines szenischen Nichts?
Es ist subjektiv, ob einem heiß, warm oder kalt ist, dennoch kann man Wärme/Kälte objektiv messen. Auch eine Regie kann man sachlich beurteilen. Wo steckt hier also eine Idee, was ist hier überhaupt originell? Nichts, oder? Stattdessen geborgte Einfälle aus der Mottenkiste. Die Musik macht aus Alcina in gewisser Sicht vielleicht ein Märchen, dessen Schleier man nicht lüften sollte, doch das Rätselhafte drückt sich hier nicht aus, es scheint vielmehr, als wäre die Oper dem Regisseur ein unlösbares Rätsel geblieben. Was man zu sehen bekommt ist vielmehr ein ungelenkes Buchstabieren und Zusammenbringen von Versatzstücken, die die In-Szene-Setzung mehr schlecht als recht zusammenhalten. Daß die Bühne ausgerechnet bei dieser Oper nicht vor Ideen strotzt und sich ein wenig in Farben, Stimmungen und Andeutungen bescheidet, mag man ja noch hinnehmen. Daß auch die Personenführung so einfallslos vordergründig ist und die Figuren als Schablonen zeichnet, geht dann allerdings schief. Irgendwo muß etwas passieren! Eine interessante Handlungs- bzw. Bühnenentwicklung verzeiht schon mal flache Figurenprofile; starke Figurenzeichnung erlaubt reduzierte Bühneneffekte. Wenn alles statisch Abstand hält, dann wird es öde und zähfließend. Und genau das ist diese ungenügende Alcina geworden: szenisch zäh wie alter Kaugummi.

Sängerisch und musikalisch gibt es viel mehr Licht als Schatten:
Layla Claire hat die Stimme, das Aussehen und das Auftreten - eine perfekte Alcina, was für eine schön strömende, warme Stimme! BRAVA! Aleksandra Kubas-Kruk ist eine wunderbare Morgana, Alexey Neklyudov ein ausgezeichneter Oronte und Carina Schmieger ist ein idealer Oberto, sie gibt der Figur stimmlich und darstellerisch klare Kontur. Bravo!
Auch beim zweiten Hören kann Ruggiero stimmlich nicht gänzlich überzeugen, David Hansen ist keine ideale Lösung, seine Stimme hat schwache Momente, manche Passagen klingen matt und farblos. Im Vergleich zur Premiere hat auch er sich gesteigert und sang eine gute Vorstellung
Benedetta Mazzucato konnte sich als Bradamante auch gestern stimmlich nicht richtig in Szene setzen, ihr fehlt die Durchsetzungskraft, in den Vordergrund tritt sie nicht, ihre Figur bleibt reizlos.

2 Kommentare:

  1. Und trotzdem... Ich war auf das Schlimmste (Langweiligste) gefasst, und habe die vier Stunden gestern mit ziemlicher Begeisterung gehört, denn zu sehen gab es nicht viel. Allerdings großartig im 1. Akt den Video- Effekt mit Meer und Getier. Hätte mir von dieser Stimmung, die so irreal und zauberhaft war, mehr gewünscht. Die Großaufnahmen von Alcina dagegen eher banal und nichtsagend. Das Ballett irgendwie beliebig. Darauf hätte ich gut verzichten können. Ich stimme zu, dass Ruggiero klanglich nicht immer perfekt war, aber mir eben das gerade gefallen, dass manchmal die Emotion auf Kosten der Klangschönheit ging. Großartig Alcina's "Ahi, mio cor", die für mich wunderbarste Stelle des Abends: die Generalpause vor der Reprise. (Leider hat dann ein nichtsfühlender Zuhörer hinein gehustet.) Der Abend für mich eher ein kostbarer, frisch gebrühter Sencha in einem Ikea- Becher.

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    1. Vielen Dank für Ihren Kommentar. Ich kann Ihnen zustimmen, man hätte mit mehr Video und Stimmungs-Effekten tatsächlich eine schöne visuelle Verzauberung erreichen können. Und auch wenn die Inszenierung kaltem Kaffee entspricht, musikalisch paßt ihr Vergleich mit dem Sencha. Im Vergleich zum Premiere war die Aufführung am Samstag eine schöne Steigerung.

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