Donnerstag, 22. Juni 2017

Rückblick (1): Das Karlsruher Schauspiel in der Spielzeit 2016/2017

Prickelnd ist anders
Die Schauspielsaison ist vorüber, ist etwas Bemerkenswertes passiert? Der neue Schauspielchef Axel Preuß übernahm die Trümmer seines Vorgängers (mehr dazu hier) und hat zumindest darin Punkte gesammelt, daß man nach dem ersten Jahr über seine Person nur Gutes hört. Seine erste Saison war dennoch nur durchschnittlich, prickelnd ist definitiv anders, das erste Jahr war kein Plädoyer für ihn, allerdings auch keines gegen ihn. Sein zweites Jahr könnte die Trendwende in der Spätphase der Intendanz hin zu mehr Qualität sein. Und man kann optimistisch voraus blicken, denn man hat noch mehr interessante Schauspieler in der kommenden Saison zu bieten, jetzt muß der Schauspieldirektor nur noch die Rahmenbedingungen bereitstellen, damit die Bühnendarsteller wieder im Mittelpunkt sind und Inszenierungen nicht vorrangig der Selbstvermarktung und Karriereförderung des Intendanzteams dienen.

Sonntag, 11. Juni 2017

Wagner - Siegfried, 10.06.2017

Leere und Laune
Der Karlsruher 4-Regisseure-Ring der Beliebigkeit geht in die dritte Runde und löste beim Publikum zwiespältige Reaktionen und viele Buhrufe für die Regie aus. Nach einem aus folgenlosen Illustrationen durchaus einfallsreich zusammengesetztem Rheingold ohne Interpretation (Regie: David Hermann) und einer gänzlich visuell gedachten Walküre (mehr hier und hier), bei der Design statt Deutung im Mittelpunkt stand und der dramatische Bezug in der Erstellung von Bühnenbildern und Effekten oft verloren ging (Regie: Yuval Sharon), folgte nun mit Siegfried eine Mischung aus visueller Willkür und inhaltlicher Leere, ein guter erster Akt, dann viel Zähes mit dem Reiz des irgendwie Improvisierten, das bestätigte, daß Launen nun mal keine Einfälle sind. Da die Karlsruher Prämisse des Nichtvorhandenseins einer großen Erzählung bzw. der nicht schlüssig möglichen Nacherzählbarkeit der Ringhandlung zu Atoll-Inszenierungen mit vier Regisseuren führte, fehlen zudem Sinnzusammenhänge, die nun die übersichtliche Handlung bei Siegfried in einen Kontext stellen können. Sängerisch zeigte sich die Premiere ebenfalls durchwachsen, vor allem Matthias Wohlbrecht als Mime sowie die Badische Staatskapelle unter Justin Brown lösten Begeisterung aus.

Donnerstag, 8. Juni 2017

Lauke - Karnickel, 07.06.2017

Also doch noch eine Komödie nach einer humorarmen Spielzeit? Nicht wirklich, herzhaft lachen wird in Karnickel niemand, wer auf Pointenjagd gehen will, bringt keine Beute nach Hause, auch nach sechs Jahren fehlt am Karlsruher Schauspiel eine rasante Komödie. Karnickel ist aber zumindest eine gelungene Wohlfühlkomödie - ein wenig Drama, ein wenig vorgetäuschtes "echtes" Leben, ein wenig Typen und Charaktere, ein wenig Situationswitz, musikalisch untermalt und ein schnelles, versöhnlich wirkendes Ende, obwohl nichts geklärt ist - das alles ist so konventionell und berechenbar, daß man Karnickel auch als Retro-Komödie bezeichnen könnte, die mit Blick auf eine öffentlich-rechtliche Verfilmung geschrieben wurde, irgendwann mal am Mittwochabend von 20:15 bis 21:45 mit ein oder zwei halbwegs bekannten Schauspielern wird das dann vielleicht in ARD oder ZDF für ein Zielgruppenalter 40+ ausgestrahlt. Doch das soll keine Wertung sein, denn die Inszenierung ist kurzweilig und unterhaltsam mit engagierten Schauspielern.

Montag, 5. Juni 2017

Festspielhaus Baden-Baden: Konzert mit Le Concert Spirituel, 04.06.2017

Barockmusik als Spektakel
Händels Wasser- und Feuerwerksmusik im großen Baden-Badener Festspielhaus - das funktionierte gestern durch spektakuläre Besetzung mit historischem Instrumenten: 15 Oboen, 9 Naturhörner, 9 Naturtrompeten, 6 Fagotte, 2 ca. 2,5 Meter hohe Kontrafagotte, 2 Schlagzeuger und 27 Streicher. Das Klangerlebnis war wohl für fast alle Hörer in dieser orchestralen Größe unerhört, Le Concert spirituell und Dirigent Hervé Niquet spielten freud-, schwung- und prunkvolle Festmusik.

Freitag, 2. Juni 2017

Schiller - Die Jungfrau von Orleans, 01.06.2017

Gut gescheitert
Zwei Stunden lang bahnte sich gestern eine Überraschung an, Optimisten konnten hoffen, daß man vielleicht Zeuge einen Paradigmenwechsels sei, denn man sah dichtes, spannendes und scheinbar schlüssiges Schauspielertheater und mit Paula Skorupa in der Titelrolle hat man eine beeindruckende Verstärkung engagiert, deren Namen man sich unbedingt merken muß. Bravo! Doch dann, als es nach zwei Stunden mitten im dritten von fünf Akten in die Pause ging, erfolgte eine weitere ernüchternde Überraschung: keine Pause, das Stück ist vorbei, ein Actus Interruptus, man hört mittendrin auf! Die Inszenierung bleibt dem Publikum die Auflösung schuldig. Wie schade und auch unverständlich, denn bis dahin gelang der Regie viel, aber anscheinend um den Preis, in einer Sackgasse gelandet zu sein. Eine Fortsetzung "Die Rückkehr der Jungfrau" ist bisher leider nicht geplant.