Sonntag, 12. Februar 2017

Wagner - Die Walküre, 11.02.0217

Viel Jubel und Bravos gab es gestern für eine Walküre, die sich überraschenderweise sogar in zweifacher Hinsicht verbessert hat - sängerisch durch sehr gute Gäste und szenisch durch eine verbesserte Personenregie im 3. Akt! Doch es bleibt eine Schwäche - visuell ist diese Inszenierung durchaus attraktiv, es ist das Herz dieser Walküre, das verkümmert ist, die Leidenschaften finden in der Musik statt, aber nicht auf der Bühne. Man achtet zu sehr auf das Äußere und zu wenig auf das Innere.

Regisseur Sharon konzentriert sich im 1. Akt zu einseitig auf das Erzählen des Geschehenen und vergißt, daß er ein Kammerspiel für drei Figuren zu entwickeln hat und eine psychologische Steigerung von der Erschöpfung und Hoffnungslosigkeit zu Beginn bis zur überbordenden Lebenslust am Ende des 1. Akts. So bewegen sich sich Siegmund und Sieglinde symmetrisch aneinander vorbei statt gemeinsam zu agieren, bei zentralen Stellen singen sie nicht miteinander sondern nebeneinander oder sind alleine auf der Bühne - dem 1. Akt fehlt der Temperaturanstieg, auch gestern. Der Ehekrieg im zweiten Akt erfolgt en passant auf einer Treppe, die direkte Konfrontation auf Augenhöhe hat man szenisch schon zugespitzter und tragischer gesehen. Die Todesverkündung am Ende des zweiten Akts ist bestenfalls solide und routiniert, da die Geschichte um Siegmund und Sieglinde im ersten Akt nicht gesteigert wurde, ist nun die Fallhöhe zu gering. Auffällig ist, daß die Regie gelegentlich dann das Licht abblenden läßt, wenn es darum geht, Emotionen zu zeigen. Was die Figuren fühlen, bleibt buchstäblich im Dunkeln, ein Verzicht auf Tragik in einem hochtragischem Werk. Es ist das Herz dieser Walküren-Inszenierung, das zu schwach ausgeprägt ist: die Gefühle und Leidenschaften und deren Ausdruck, die Figurenentwicklung und das Gefühl für ihre Tragik. Aufwändige visuelle Effekte können diese verpufften Wirkungen nicht kompensieren. Man sollte eine zweiten Regisseur engagieren, der das Potential ausnutzt, das verschenkt wurde. Im 3. Akt -einem Opernende aus Feuer und Eis- ist das gestern geschehen! Der abschließenden Dialog zwischen Wotan und Brünnhilde funktionierte viel besser als in der Premiere, in der Wotan eine gefühlte Ewigkeit mit seinem Speer im Boden herumstocherte und die Szene steril blieb. Ob man nachjustiert hat oder die Gastsänger von sich aus das richtige Gespür für szenische Wirksamkeit hatten, kann hier noch nicht entschieden werden.

Die gestrigen Gäste werteten die Walküre deutlich auf, denn gerade die Rollen des Wotan und der Brünnhilde waren bei der Premiere (mehr dazu hier) nicht restlos überzeugend. Petra Lang war eine gefeierte Brangäne und Ortrud bevor sie 2012 vom Mezzo-Fach ins hochdramatische Sopranfach wechselte. 17 Jahre lang wurde Lang von Ingrid Bjoner als Lehrerin betreut, eine Sängerin, die in Karlsruhe bspw. als Isolde und Färberin zu hören war, Lang sang 2016 ihre erste Isolde in Bayreuth. Als Brünnhilde zeigte Lang Kraft, Ausdauer und schöne Höhen, ihr Timbre ist ungewohnt, dunkel gefärbt und nicht so warm in der Mittellage als bei Heidi Melton, dafür nach oben offen und eruptiv. Sie bekam viele Bravas.
Publikumsliebling war gestern Vitalij Kowaljow, der als Wotan begeisterte: ein warmes Timbre und eine ausdrucksstarke und nuancenreiche Stimme, die wie selbstverständlich Höhe und Tiefe hat, sehr gute Aussprache, jeder Ton hat Farbe, sein Wotan kann sowohl ganz leise und eindringlich als auch unangestrengt machtvoll klingen. BRAVO!
Lang und Kowaljow retteten gestern den in der Premiere so steril wirkenden 3. Akt und schafften es, daß die Walküre deutlich an Wärme hinzugewann. Einen durchwachsenen Tag mit einigen Textunsicherheiten hatte Peter Wedd als Siegmund, er wirkte schwächer als in der Premiere. Katherina Broderick überzeugte erneut mit schöner, offener Stimme als Sieglinde. Avtandil Kapeli zeigte sich gegenüber der Premiere deutlich verbessert. Und Karlsruhe hat noch eine zweite eindrucksvolle Fricka - Katharine Tier mußte im 3. Akt auch noch eine Walküre übernehmen.
Das Herz des neuen Karlsruher Rings ist GMD Justin Brown, der mit der Badischen Staatskapelle eloquent und ausgeglichen musiziert, der weiß, wann er auftrumpfen kann und wann er zurückhaltend unterstützt und stets die Spannung aufrecht erhielt. Auch für ihn und das Orchester sind die Bravos verdient.