Sonntag, 29. Januar 2017

Hermann Levi - Der erste Dirigent des Parsifal

Der Vorplatz des Badischen Staatstheaters wurde eine Stunde vor der Uraufführung von Wahnfried auf Anregung des früheren Verwaltungsdirektors Sieber umbenannt: man residiert ab Februar nicht mehr in der Baumeisterstraße 11, sondern am Hermann-Levi-Platz 1.



Hermann Levi (1839-1900) war von 1864 bis1872 Hofkapellmeister in Karlsruhe, danach von 1872 bis 1896 am Hoftheater in München tätig. 1882 dirigierte er in Bayreuth die Uraufführung des Parsifal und das, obwohl er Jude war, konsequent war Wagners Antisemitismus also nicht. Levi, Sohn eines Rabbiners, relativierte Wagners antisemitische Abhandlung „Über das Judentum in der Musik“  und erklärte in einem Brief an Johannes Brahms (!), daß er sie „von ernsthafter, künstlerischer Gesinnung diktiert“ sah. Levi war mit Brahms eng befreundet. Bei Levis Karlsruher Abschiedskonzert am 05.06.1872 anläßlich des bevorstehenden Wechsel des Dirigenten nach München gab Brahms ihm sein Triumphlied zur Uraufführung. Die Freundschaft zerbrach als Levi zum Wagnerianer wurde, Brahms 1.Symphonie wurde von Levis Nachfolger Otto Dessoff in Karlsruhe 1876 uraufgeführt. Levis Vater, der Rabbiner war, war bei der Uraufführung des Parsifal anwesend, wurde von den Wagners empfangen und schrieb noch im Greisenalter 1894 einen herzlichen Brief an Cosima anläßlich des Debüts ihres Sohnes Siegfried als Dirigent in Bayreuth. Cosima erwähnt in ihren Tagebüchern (13.01.1879), daß Levi selber sich bezüglich des Judentums abschätzig geäußert hätte und er hoffe, daß es „mit Stumpf und Stil ausgerottet“ werde.
Hermann Levi, Felix Mottl (er war von 1880 bis 1903 Hofkapellmeister in Karlsruhe) und Hans Richter (von 1875 bis 1890 Dirigent der Wiener Hofoper) waren die ersten Bayreuther Festspieldirigenten und das Triumvirat, das mit Cosima das Fortbestehen der Festspiele sicherte. Auch nach Wagners Tod blieb Levi in Bayreuth der Dirigent des Parsifal, Cosima setzte ihn nicht ab, selbst als er wegen Krankheit nicht konnte und Felix Mottl übernahm, war das nur eine kurze Unterbrechung. Es war Richard Strauss, der gegenüber Cosima 1892 ätzte: „Ja, die Juden haben’s weit gebracht mit uns. Also nie mehr soll der arme „Parsifal“ aus jüdischer Folterkammer entlassen werden“. Cosima hielt am Juden Levi fest. Und Levis Verhältnis zu Chamberlain? In einem Brief an Cosima schrieb er, er würde sich gerne mit ihm anfreunden. Chamberlain schrieb nach Levis Tod einem Nachruf auf ihn.

Wenn es nach Leistung und Bedeutung gehen würde, sollte das Karlsruher Staatstheater dann nun nicht vielmehr am Felix-Mottl-Platz residieren?

1 Kommentar:

  1. @CH
    Vielen Dank! Schicken Sie mir doch beim nächsten Mal Ihre E-Mail Adresse mit, dann kann ich Ihnen auf die persönlichen Dinge antworten.

    Levi war kein Opfer, die Betonung, daß er von Wagner irgendwie negativ angegangen oder gequält wurde, ist falsch. Er hatte die Wahl, er wollte es so und blieb. Als ich mich vor einigen Jahren mit Levis Biographie beschäftigte, hatte ich das Gefühl, daß er ein Jude war, der kein Jude sein wollte. Aus Respekt vor seinem Vater ließ er sich nicht taufen, aber den Antisemitismus der Zeit verstand er, er verteidigte bzw. relativierte ihn und er äußerte sich wohl selber auch abschätzig über das Judentum . Er wollte dazugehören, er verließ Bayreuth nicht. Levi war u.a. auch mit Wilhelm Busch befreundet, bei dem sich ebenfalls antisemitische Tendenzen zeigen.

    Hans von Bülow ging den umgekehrten Weg. Nachdem seine Frau Cosima sich scheiden ließ und zu Wagner wechselte, wurde er zum Dirigenten von Brahms‘ Werken. Bülow war aber auch Antisemit, er unterschrieb die sogenannte Antisemitenpetition, die von Reichskanzler Bismarck erfolglos die Rücknahme der Gleichstellungsgesetze für Juden verlangte. Bülow war politisch interessiert, er komponierte das Bundeslied des von Ferdinand Lassalle gegründeten Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, eines Vorläufers der SPD. Die Rassentheorie war damals Denken auf der Höhe der Zeit. Charles Darwins Lehre von der Evolution wurde auf den Menschen übertragen. Die Leute wußten es nicht besser, sie waren um keinen Deut schlechter oder bösartiger als heutige Zeitgenossen.

    Hinterher ist man immer klüger. Deswegen interessiert mich der Antisemitismus der Wagners nicht. Darüber zu lästern ist die Besserwisserei der Nachgeborenen, die so überheblich und arrogant sind daß sie falsch mit böse gleichsetzen. Wagners Antisemitismus war nicht rassistisch, er war sprachphilosophisch, sagte Wagner-Experte Stefan Mickisch, der Antisemitismus bezog sich auf die fehlerhafte Vermutung, Juden können keine große Kunst schaffen. Und noch mal Mickisch: "Im Werk Wagners ist kein Antisemitismus!"

    Und noch ein Gegenbeispiel: Das Simon Wiesenthal Center setzte den Journalisten Jakob Augstein 2012 auf einer offiziellen Liste in die Spitzengruppe der Antisemiten. Augstein darf aber dennoch im Spiegel eine Kolumne schreiben und in deutschen Polit-TV-Shows auftreten. Manchmal ist Judenfeindlichkeit also doch nur ein Kavaliersdelikt?

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