Sonntag, 6. Dezember 2015

Vorschau: Die Spielzeit 2016/2017

Positionswechsel! Richtungswechsel?
Es wird spannend in der kommenden Spielzeit! Die zweite Hälfte der bisher so vielfältig problematischen Intendanz Peter Spuhlers beginnt. Mit dem fast noch neuen Operndirektor Michael Fichtenholz (der bisher überwiegend verwaltet haben wird, was sein Vorgänger konzipierte) und dem neuen Schauspieldirektor Axel Preuß (der wahrscheinlich schon wesentlich mitkonzipiert haben sollte, was und wer nächste Spielzeit zu sehen sein wird) wird es für die verbleibenden Jahre auch gestalterische Unterschiede geben, wenn ..... ja wenn die beiden denn eigene Richtungskompetenz haben und nicht nur als Erfüllungsgehilfen des Generalintendanten gelten sollen und wollen.
Wenn die beiden selbständig arbeiten dürfen, werden sie etwas Neues (neue Schwerpunkte, eigene Programmlinien oder individuelle Vorlieben) umsetzten und ihre neue Planung bis 2021 auch dem Publikum zumindest in groben Zügen erläutern. Die konkrete Programmlinie wird erst in 5-6 Monaten dem Publikum vorgestellt, doch kann man bereits spekulieren, was sich ändern wird und muß hoffen, daß der Generalintendant seinen Spartendirektoren Preuß und Fichtenholz Individualität zugesteht.

Woran der neue Programmplan des Operndirektor zu messen sein wird
Fichtenholz hatte genug Zeit, das Karlsruher Opernumfeld zu analysieren und seine Planungen darauf auszurichten. Doch wie frei kann er entscheiden? Der neue Nibelungenring (der letzte wurde zuletzt 2013 gespielt) kommt zu früh und ist überflüssig - er dient nur der Profilierung des Generalintendanten, der ihn für seine Vita zu benötigen scheint. Wenn allerdings dieser heterogene 4-Regisseure-Ring gelingen will, muß man sich sängerisch vom letzten erfolgreich absetzten (immerhin mit Sängern wie Edith Haller, Klaus-Florian Vogt, Lance Ryan, Thomas J. Mayer, die dann alle in Bayreuth auftraten). Man kann den kommenden Ring also daran messen, ob man die kommenden Wagner- und Bayreuth-Stimmen engagiert hat.
Das Rheingold feiert am Ende dieser Saison Premiere. 2016/17 folgt die Walküre, vielleicht auch Siegfried. Besser wäre, wenn erst 2017/18 Siegfried und Götterdämmerung folgten. Denn eine der vorrangigen Aufgaben von Fichtenholz erscheint mir, Repertoire aufzubauen, das mit Sängern aus dem Haus bestritten werden kann. Immer wieder muß man auf die üblichen Kandidaten Tosca, Zauberflöte, Hochzeit des Figaro (aus den Intendanz Pavel Fiebers) sowie die Werke der Thorwald-Ära zurückgreifen (z.B. Carmen, Don Giovanni, Cosi fan tutte, Serail, Hänsel und Gretel). Die eigenen Inszenierungen seit 2011 verschwinden regelmäßig oder sind nicht wiederaufnahmetauglich - schade, denn aufregend inszenierte Opern wie Die Trojaner, Wallenberg, Die Passagierin, Dr. Atomic, Peter Grimes, Tannhäuser, Meistersinger, Prophet könnten wieder auftauchen, benötigen aber oft Gäste. Für einen abwechslungsreichen Spielplan braucht man aber Vielfalt, die auch wochentagtauglich ist. Walküre und Siegfried sind Wochenendopern, die aufgrund des Kräfteverschleißes nicht häufig gespielt werden können. Der Spielplan muß also endlich abwechslungsreicher werden, man benötigt Opern mit Anziehungskraft und darf diese nicht wie La Bohème oder Die Fledermaus leichtfertig versemmeln. 
Der von einigen Karlsruher Opern-Fans erwartete und geforderte Richard Strauss Zyklus scheint aber noch nicht in Sicht.

Dazu sollte/könnte nächstes Jahr die bereits angekündigte Uraufführung einer Oper über Richard Wagner kommen, die Avner Dorman vertont hat und deren Libretto wie schon bei Wallenberg (mehr hier) vom Autorenduo Lutz Hübner und Sarah Nemitz stammt, die übrigens auch Richtfest (mehr hier) schrieben. Wichtig wird bei dieser Opernuraufführung, daß man den Mut hat, die arrogante und diffamierende Haltung gegenüber Wagner und seiner Familie durch einen differenzierende Betrachtung zu ersetzen, die den Figuren ihre Würde läßt. Es ist leider gerade Mode, lange verstorbene Künstler (oder auch Wissenschaftler (mehr dazu als Abschweifung hier)) als Menschen zu erledigen. Wer tot ist, eignet sich dafür umso besser, weil er sich nicht mehr verteidigen kann. Doch man sollte sich darüber im Klaren sein: es ist widerliche Selbstgerechtigkeit und Arroganz, die eine vermeintlich demaskierende Betrachtungsweise treibt. Die Oper über den Wagner-Clan wird also auch und vor allen zur Charakterprobe für den Intendanten und den Operndirektor und das Publikum sollte vehement reagieren, wenn man nur einseitig auf Satire, voyeuristische Herabwürdigung und Besudelung setzt.

Woran der neue Schauspieldirektor zu messen sein wird
Die Unterscheidung, ob man einen Schauspieldirektor mit Visionen oder lediglich einen verlängerten Arm des Intendanten engagiert hat, sollte sich also bereits beim Programm für 2016/2017 zeigen. Dort müßten klare Unterschiede erkennbar sein und vor allem eine Rückbesinnung aufs Schauspiel- und Schauspieler-Theater anstelle von sprödem Verwertungs- und veganem Klientel-Theater, das zu oft Spiegelungen und Reflektionen für Zielgruppen bedient, sich an Themen hängt und Relevanz nur behauptet (positive Ausnahme: Ich bereue nichts über Edward Snowden) und zu viel Fokus auf dokumentarisches und  pädagogisches Theater legt (Schüler-Theater gehört nicht ins normale Abo!), also auch eine Abkehr von experimentellen Formen des "Tanztheaters" und "philosophischen" Theaters in seiner bisherigen spröden Form. Das Ende des Verwertungs- und Klientel-Theaters kann man daran erkennen, daß Schauspieler und Schauspiel wieder Zweck und nicht Mittel sind.
Im Schauspiel-Ensemble hat man sich bereits besser aufgestellt, Luft nach oben ist noch, aber es werden wahrscheinlich nur wenige neue Namen hinzukommen. Qualitativ hat es Jan Linders vier Jahre nicht geschafft, ein homogenes Ensemble zusammenzustellen - für Preuß ebenfalls eine Herausforderung. Und wenn dann noch etwas mehr Sorgfalt bei der Auswahl der Stücke (mal schauen, ob es eine rasante Komödie geben wird oder weiterhin ein Humorproblem besteht) hinzukommt, dann hat Axel Preuß einen guten Start.
   
Ein Generalintendant auf Bewährung
Ob Generalintendant Peter Spuhler seinen ramponierten Ruf aufpolieren kann? Zwischenmenschlich scheint einiges im Argen zu liegen, die Kommunikation mit den Mitarbeitern des Hauses war anscheinend stark gestört. Im Rahmen der Umgestaltung hört man wenig Positives. Und vor allem verantwortet er zu viel künstlerisches Mittelmaß. Daß er seine zweite Hälfte mit neuen Spartendirektoren in Schauspiel und Oper angeht, ist vielsagend. Hat er lediglich personelle Änderungen vorgenommen oder tatsächlich auf die Probleme reagiert? Hoffen wir, daß Peter Spuhler nicht zum Helmut Kohl seiner Zunft werden will und die letzten Jahre seine Intendanz aussitzt, sondern auf die Herausforderung eingeht und einen Richtungswechsel einleitet, bei dem Qualität und Ästhetik wieder wichtiger werden als Klientelgesinnung und Kommerz.

3 Kommentare:

  1. Hallo,
    n.z.Info:
    06.12.15 nachmittags auf ARTE:
    Ballett DON QUICHOTE - Choreo: Nurejew - BB: nach Goya
    aus dem Palais Grand Marnier Paris:

    Für die gesamte Percormance war alles in allem durch kein Superlativ zu überbieten.
    GRASNDE GRANDE GRANDE

    Gruß Klaus


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    1. Vielen Dank für die Info. Meine Frau hat die Sendung zum Glück aufgezeichnet.

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  2. @anonym: Vielen Dank für die klimatische Stimmungsbeschreibung.

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