Freitag, 4. September 2015

Versteckte Preiserhöhungen am Staatstheater

Am Badischen Staatstheater betont man in den letzten Jahren ja gerne, wie "politisch" man doch sei. Aufmerksame Beobachter werden dem vielleicht widersprechen, denn als politisch verstehen einige vielleicht doch eher, kritische und unbequeme Fragen zu stellen und nicht, politisch korrekt den Zeigefinger zu erheben. Aber darüber ein anderes mal mehr. Ein wichtiges Indiz sind Handlungen, nicht Worte oder Bekenntnisse, und es wird einigen bereits aufgefallen sein, daß man im Großen Haus jahrzehntelang Bewährtes kippt, ein neues Modell für die Kategorien der Sitzplätze etabliert und damit heimlich die Preise erhöht hat. Intendant Spuhler "wirtschaftsliberalisiert" die Zuschauerstruktur mit der unschönen Konsequenzen, daß ein Drittel der Sitzplätze der beiden günstigsten Preiskategorie wegfallen. Folgende Änderungen gibt es:
  • Die  Anzahl der Sitzplätze in der ersten Preiskategorie wird erhöht um ca. 8% von 317 auf 346 Plätze.
  • Die Anzahl der Sitzplätze in der zweiten Preiskategorie sinkt minimal um ca 1,5% von 272 auf 268 Stühle.
  • Deutlich erhöht um 26% wird die Anzahl der Sitzplätze in der 3. Preiskategorie von 152 auf 192 Plätze.
  • Die vierte Preiskategorie wird um 30% stark verringert von 147 auf 104 Plätze.
  • In der fünften Preisklasse sinkt die Anzahl der Sitzplätze um ca. 19 % von 114 auf 92.
Die ersten drei Preiskategorien wachsen relativ um 8%. 80% aller Sitzplätze befinden sich nun in diesem Kostenbereich. Die Preiskategorien vier und fünf verlieren 33% ihrer Sitzplatzanzahl, zukünftig befinden sich noch 20% aller Sitzplätze im günstigeren Bereich

Für finanziell schwächer gestellte Besucher wird es schwieriger werden, an Karten zu kommen. Vor allem wer nicht mehr rüstig ist und eine kleine Rente bezieht, hat es schwer: es gibt gerade noch 10 Sitzplätze in der 5. Kategorie, die ohne Treppensteigen mit dem Fahrstuhl erreichbar sind. Alle anderen müssen bis zu Eingang E hochklettern. Diese Umgestaltung überrascht aus deswegen, weil eine vom Intendanten in Auftrag gegebene Studie ergeben hat, daß man in Karlsruhe gerade nicht die Wohlhabenden und reichen Zuschauer hat, sondern im besten Sinn ein Volkstheater mit Publikum aus allen Schichten ist, auch aus vielen einkommensschwächeren Haushalten, die sich bspw. das teure Festspielhaus Baden-Baden nicht oder kaum leisten können. Wieso also diese Herausdrängung durch Sitzplatzreduzierung bzw. Preiserhöhung? Parteienforscher wissen es schon lange: Was die FDP einst für sich reklamierte, kann tatsächlich Bündnis 90/Die Grünen für sich in Anspruch nehmen: laut Umfragen und Statistiken soll sie die wahre Partei der Besserverdienenden. sein. Die zuständige Kunstministerin des Landes gehört dieser Partei an - man könnte vermuten, daß man in Karlsruhe ein anderes, finanzkräftigeres Zielpublikum anstrebt. Man kann dies als typische wirtschaftliche Liberalisierungsmaßnahme interpretieren, vielleicht ist es aber korrekter, von einer Entsozialdemokratisierung zu sprechen. Intendant Spuhler macht ernst: nach Jahrzehnten wird man nun tatsächlich politischer in der Baumeisterstraße und zeigt seine Absichten durch eine wirtschaftliche "Optimierung" der Sitzplatzstruktur.

4 Kommentare:

  1. Respekt - das nenne ich mal Recherche, die ganzen "Platzverschiebungen" akurat zu dokumentieren.
    Dann kommt es wohl doch so, wie es sich bereits angekündigt hat: Preiserhöhungen durch die Hintertür. Wäre es nicht ehrlicher UND sozial verträglicher gewesen, einfach die Preise für die ersten beiden (oder drei) Kategorien moderat zu erhöhen ?
    Ich wäre jedenfalls nicht überrascht, wenn der Generalintendant mit geschwellter Brust verkünden würde, dass erneut keine Preiserhöhung stattgefunden habe. Damit bleibt der Schein gewahrt. Und ein weitere publizistische Front braucht Peter Spuhler zur Zeit bestimmt nicht.
    Persönliches Fazit: Spontane Besuche im Staatstheater werden jetzt häufiger flach fallen. Denn nicht selten ist die letzte Preiskategorie schon Wochen im Voraus belegt. (Übrigens häufig von Schulklassen. Schön und gut. Wäre es aber nicht sinnvoller, bei erwartungsgemäß "leeren" Aufführungen - und derer gibt es ja einige - die Klassen in eine höhere Kategorie "upzugraden" ? Schüler und Künstler hätten mehr davon.)
    F.Kaspar

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    1. Vielen Dank Herr Kaspar! Wie man die Einnahmen sozialverträglich erhöht, lohnt eine kontroverse Diskussion. Die jetzige Lösung finde ich eher unsympathisch, da sie mir zu einseitig ist. Eine Neustrukturierung der Preiskategorien ist durchaus eine diskutable Idee. Man hätte die Anzahl der Plätze in den einzelnen Kategorien aber beibehalten sollen.
      Vielen Dank auch für die zusätzliche Info zum Macbeth-Besuch. Ihren spannenden Blog www.opernschnipsel.de verfolge ich inzwischen regelmäßig und mit großem Interesse!

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  2. Klassen kommen in Zukunft ins Große Haus zum Einheitspreis von 8.50, Plätze sind frei wählbar.

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