Sonntag, 20. September 2015

Theaterfest, 19.09.2015

Das Badische Staatstheater hat seit dem Intendanzbeginn Peter Spuhlers ein ständiges Problem mit Qualität und Format. Das zeigte sich auch gestern. Der wie üblich ausverkaufte Spielzeit-Cocktail, moderiert wie seit vielen Jahren üblich von Heiner Kondschak, hatte wenige starke und einige sehr schwache Momente. Die Sparten wurden nicht mehr getrennt, sondern präsentierten sich mit einzelnen Programmpunkten abwechselnd - eine gute Neuerung; der Unterhaltungswert stieg deshalb aber (noch) nicht, nur wenige Male sprang ein Funken über. Zu hören und sehen waren u.a.
sehr gute Präsentationen aus den Sparten Oper (mit Kristina Stanek, Barbara Dobrzanska und Armin Kolarzcyk), Ballett (ab dieser Spielzeit wird auch Admill Kuyler die Hauptrolle in Der Widerspenstigen Zähmung übernehmen sowie einer Choreographie von Reginaldo Oliveira) und teilweise auch im Schauspiel. Doch besonders zwei Neulinge zeigten Potenzial und schafften es, unmittelbar in den Zuschauerraum zu wirken und zu faszinieren:
  • Die neue Sopranistin Uliana Alexyuk, die eine Arie aus Bellinis Romeo-und-Julia-Oper I Capuleti e i Montecchi mit wunderschöner Stimme und hoher emotionaler Einfühlung bravourös und anrührend sang.
  • Der neue Hauptrollenschauspieler Sascha Tuxhorn, der zwar nichts Besonderes zu sagen hatte, aber dabei dennoch zeigte, was man in Karlsruhe nun einige Jahre vermisst hat: einen intelligenten Schauspieler, der offensichtlich gestalten kann. Nach dem Weggang von bspw. Timo Tank und Sebastian Kreutz liegt nun alle Hoffnung auf Tuxhorn
Sehr gut präsentierten sich die Architekten des bevorstehenden Um- und Neubaus, die graphisch anschaulich verdeutlichten, was in den nächsten Jahren geschehen wird.

Naiv und in gewisser Hinsicht peinlich war hingegen ein Auftritt des Schauspielchefs Jan Linders, der das (nur so genannte) "politische Staatstheater" repräsentierte und zwar erneut so gedankenlos oberflächlich, daß es schwer fiel zu glauben, was sich da auf der Bühne abspielte. Die Wochenzeitschrift Der Spiegel sprach in anderem Zusammenhang kürzlich von der Verteddybärisierung von Flüchtlingen, Linders wollte dem Publikum nun mit kolonialer Gönnerhaftigkeit drei Asylanten aus Gambia vorführen, die in Glucks Iphigenie auf Tauris als Statisten mitspielen. Die bedauernswerten Afrikaner durften dem Publikum erklären, daß sie lernbereit sind und zur Schule gehen, Deutsch und Mathematik lernen, zukünftig als Maler arbeiten oder Mechanik machen wollen, um ihre wirtschaftliche Nützlichkeit auf dem Markt für geringqualifizierte Arbeitskräfte zu beweisen. Kein situationsklärendes zwischenmenschliches Wort erfolgte, kein Wort wurde darüber verloren, warum die drei verfolgt wurden und fliehen mußten - oder lag das daran, daß die drei Wirtschaftsmigranten sind? 2014 wurden nur 4% der Asylanträge aus Gambia stattgegeben. Es müssen angesichts der prekären Situation in den überquellenden Lagern von der Politik unbequeme Entscheidungen getroffen werden, wer kommen bzw. bleiben darf. Das Staatstheater duckte sich gestern erneut weg und zeigte sich in politikferner Banalität. Als Linders das Publikum aufforderte, alle zusammen "Räfjuhdschies wällkam" zu sagen, kam dieser Simplifizierung nur eine Minderheit nach. Durch politisch plakativ-korrekte Gesten wird man nun mal nicht zum "politischen Staatstheater". Dazu benötigt man Format und Qualität .... aber das ist ja eine Problemzone des Staatstheaters

Ansonsten gab es Neuheiten und Bekanntes. Mit Monty Python’s Spamalot will man die breite Masse der Zuschauer locken - anscheinend ein Musical, das als Parodie auf Musicals gedacht ist. Trotzdem wären professionelle Musical-Darsteller vielleicht angebracht, zumindest Rebecca Raffell wird zweifellos wieder für besondere Momente sorgen. Volks- und Kindertheater zeigten sich gestern schwach und ohne Reiz, aber das dankbare Karlsruher Publikum spendet auch dann Beifall, wenn die sängerischen Qualitäten von Schauspielern gering sind.

Was wird die neue Spielzeit bringen? Wird die Konfrontation zwischen Generalintendant Peter Spuhler und dem Badischen Staatstheater erneut eskalieren oder beginnt das lange Warten auf seinen Abgang, ein Zermürbungsfrieden oder doch noch eine friedliche Koexistenz? Man hört Gerüchte, daß der in drei Jahre frei werdende Posten als Intendant in Nürnberg für ihn interessant sein soll; der dortige Intendant Peter Theiler wird nach dem Ende der Spielzeit 2017/2018 an die Semperoper gehen. Peter Theiler durch Peter Spuhler zu ersetzen hört sich zumindest ganz einfach an und würde allen in Karlsruhe eine Perspektive eröffnen, um die nächsten Jahre gut über die Runden zu bekommen.