Dienstag, 14. April 2015

6. Symphoniekonzert, 13.04.2015

Ein rein britisches Symphoniekonzert - ein wenig Skepsis war wohl bei einigen vorhanden, doch Justin Brown bewies auch diesmal eine sichere Hand bei Auswahl und Präsentation.
 
Die Enigma Variationen op. 36 von Edward Elgar (*1857 †1934) bestehen aus einem Thema mit 14 Variationen, die u.a. angeblich Personen und Situationen aus dem Umfeld des Komponisten beschreiben sollen - doch die historische Konstellation ist für heutige Zuhörer kaum noch interessant. Die Variationen wurden ein Erfolg für Elgar - für heutige Zuhörer erschließt sich das immer noch und hauptsächlich bei der neunten Variation (Nimrod), die bei Brown zu einem innigen Höhepunkt wurde. Ein abwechslungsreiches und kurzweiliges Orchesterwerk.
 
Mit Musik des derzeit gefragtesten britischen Komponisten Thomas Adès (*1971) konnte man schon zu Beginn der Symphoniekonzertsaison 2012/13 in Karlsruhe Bekanntschaft machen. Damals hinterließ er nur wenig Eindruck, gestern dafür umso mehr. Das Violinkonzert Concentric Paths, 2005 in Berliner uraufgeführt, besteht aus einem langen Adagio in der Mitte zwischen zwei kürzeren, schnellen Ecksätzen. Concentric Paths, das sind Konzentrische Pfade, also Wege, die sich nicht schneiden, aber den gleichen Schwerpunkt habe, - der Titel erschließt sich beim ersten Zuhören nicht. Auffällig sind hingegen die ungewöhnlichen Klangfarben, bspw. ein Trio zwischen Violine, Posaune und Tuba oder hohe Violintöne zu hohen Holzbläsern. Ein spannendes (wenn auch kurzes) Violinkonzert und erneut eine Entdeckung mit Substanz, die Justin Brown dem Karlsruher Publikum präsentiert. Wenn das Konzert nach 20 Minuten beendet ist, wünscht man sich ein wenig, daß Adès mehr Ausdauer gehabt hätte, um einen noch größeren Bogen zu spannen.
Viel Jubel gab es erneut für Violinist Augustin Hadelich, der wieder einen sehr starken Eindruck hinterließ. Er spielte als Zugabe die fünfte Caprice von Paganini mit solch atemberaubender Virtuosität, daß man sich als Zuhörer unmittelbar animiert fühlen konnte, CDs mit Einspielungen Hadelichs zu erwerben, um diesen Künstler an der Geige zusätzlich zu unterstützen. BRAVO!
 
Der amerikanische Komponist Aaron Copland soll den bekanntesten Ausspruch zur 5. Symphonie von Ralph Vaughan Williams (*1872 †1958) getätigt haben: der 5. zuzuhören sei, als ob man eine Kuh für 45 Minuten anstarre (“Listening to the Fifth Symphony of Ralph Vaughan Williams is like staring at a cow for 45 minutes"). Copland hat damit nicht Unrecht - die 5. ist eine ausgeglichene und unaufgeregte Symphonie, die, wenn man nicht konzentriert zuhört, wegen der immanenten meditativen Ruhe dieses schön fließenden Werks ohne Anzeichen von hoher innerer Dramatik oder Ekstase als sanfte Einschlafhilfe wirken kann. Gestern kamen allerdings keine Zuhörer in den Genuß des beliebten Theaterschlaf, denn Justin Brown ist nicht der Dirigent für falsches Pathos. Seine direkte Lesart machte diese Symphonie zu einem sehr positiven Erlebnis, das neugierig auf mehr Vaughan Williams macht.
 
Viel Applaus für die Badische Staatskapelle und Justin Brown, der hoffentlich auch zukünftig mehr oder wenig Bekanntes britischer Komponisten dem Karlsruher Publikum vorstellen wird: Elgars wunderschönes Violinkonzert war lange nicht zu hören oder bspw. eine weitere Symphonie Vaughan Williams (1. oder 4.), William Waltons 1. Symphonie, Brittens Klavierkonzert oder etwas von Michael Tipppett?