Freitag, 9. Januar 2015

Schiller - Kabale und Liebe, 08.01.2015

Weiterhin ein schöner Erfolg!
Diese Inszenierung lebt vor allem durch die Hauptdarsteller: Sophia Löffler und Thomas Halle als Luise und Ferdinand sind eine hervorragende Besetzung. Und im vierten Jahr der Ensemble-Zugehörigkeit muß man den beiden auch attestieren, daß sie den Weg zu wichtigen und relevanten Ensemble-Mitgliedern konsequent und erfolgreich gegangen sind. BRAVO! Ich freu mich auf die nächsten Hauptrollen der beiden.

André Wagner -aktuell in Karlsruhe der Hauptrollen-Schauspieler par excellence- zeigt als Präsident eine weitere intelligente Darstellung, die zwar fast etwas übertrieben satirisch wirkt, aber auch zeigt, wie aufmerksam und sorgfältig Wagner an seinen Rollen modelliert und feilt; seine Wandlungsfähigkeit erscheint überlegt und zeigt sich in stark geformten Rollen.
Und bei Lisa Schlegel kann man wie so oft fasziniert feststellen, daß jede Nuance perfekt sitzt.
Neu besetzt ist Maximilian Grünewald, der sich in der zurückhaltend angelegten Rolle des Wurm nahtlos einfügt, aber nicht ganz der ursprünglichen Auslegung seines Vorgängers Simon Bauer entspricht. Bauers Wurm war noch etwas verhaltener, schleichender und farbloser und dadurch noch fieser und unheimlicher.
Leichte Abstriche in der B-Note: Im Vergleich zur  Premiere (mehr dazu auch hier) kann man leichte Abnutzungserscheinungen bei der 36. Aufführung konstatieren. Lady Milford gewinnt bspw. bei  Ute Baggeröhr nicht so viel Kontur als bei Agnes Mann, die als Gast damals die Premierenbesetzung war.

Schade daß Schillers Verleger den Räubern und nicht Kabale und Liebe den Wahlspruch In tyrannos! (Gegen die Tyrannen!)  voranstellte. Vielleicht hätte die Regie dann die politische Dimension mehr betont und nicht diese sehr gute, sehenswerte, aber halt auch um eine Dimension vernachlässigte Familien-Inszenierung auf die Karlsruher Bühne gebracht. In Zeiten der wieder erstarkenden autoritären Staatsoberhäupter, einer über Gebühr Geltung fordernden altertümlichen Religion, kulturellem Relativismus, der Umwandlung von öffentlichen in privaten Raum und einer induzierten Gleichgültigkeit, die sich bei Politik und Presse als vermeintliche Toleranz, Deregulierung oder Wirtschaftsliberalismus ausgibt, wäre eine starke In tyrannos! Aussage ein Gebot der Zeit. Denn wenn das humanistische Europa auch einforderte, daß Menschen Rechte haben, dann muß man heute leider in globaler Sicht relativieren: nur so viele, wie sie behaupten oder erstreiten können. In dieser Hinsicht bleibt die Inszenierung bei allen Meriten zu schwach geprägt.

Fazit: Eine ausverkaufte Vorstellung mit einem aufmerksamen und gespannt folgendem Publikum - ein aussagekräftiges Indiz für die Qualität von Kabale und Liebe. Bis April folgen nur noch vier Aufführungen, die 40. scheint auch die letzte zu sein. Schade! 2015/16 hätte ich mir sonst einen weiteren Besuch gegönnt.

PS: Am 17.01.15 haben Schillers Räuber in Karlsruhe Premiere. Das ursprüngliche In tyrannos-Stück hat diese Bedeutung schon längst verloren und ist sogar im Lichte unserer Zeit  ganz anders zu interpretieren. Mal schauen, ob man dem in wenigen Tagen in der Neuinszenierung des Badischen Staatstheaters gerecht wird und die Balance zwischen familiären und politischen Aspekt besser hält.