Mittwoch, 31. Dezember 2014

Puccini - Tosca, 30.12.2014

Was für eine spannende und gelungene Tosca!
Ausgezeichnet gesungen und gespielt vor fast vollem Haus, zufriedenem Publikum und schöner Stimmung - wer dabei war, erlebte eine sehr gute Aufführung.

Beispielhafte Formvernunft
Wer hätte das bei der Premiere dieser Inszenierung am 27.05.2000 gedacht (Regie: John Dew. Damals übrigens eine Koproduktion mit der Opéra Comique in Paris zum Jubiläumsjahr: Tosca erlebte ihre Uraufführung am 14.01.1900), daß sie nach über 14 Jahren noch gespielt wird und gestern die 61. Aufführung erlebte. Es gab 2000 viele Buhs, die heute kaum noch verständlich sind, denn daß Scarpia ein Kardinal ist, Tosca nicht von der Engelsburg in den Tod springt, sondern erschossen wird und ihr göttliche Gnade zukommt, sind die einzigen relevanten Freiheiten, die sich die Regie nimmt. Ansonsten ist es eine im positiven Sinne konventionelle Umsetzung und ein gutes Beispiel dafür, daß es nicht immer das erzwungen Ungewöhnliche sein muß, womit sich Regie und Intendanz profilieren wollen, sondern eine geglückte Inszenierung Formvernunft benötigt: künstlerische Berechnung, überlegte Effektsetzung und kalkulierte Verdichtungen erzeugen Erfolg beim Publikum.
Am 24.01.2015 hat eine neue La Bohème Premiere. Die über 20 Jahre gespielte und hochgradig beliebte Bohème-Vorgängerinszenierung von Giancarlo del Monaco war ein entsprechendes Beispiel. Die bevorstehende Neuinszenierung wird also zum Gradmesser für die Karlsruher Oper: Profilierungssucht oder Formvernunft?

2015/16: Strategiewechsel in der Oper?
So etwas kann man wohl ein Retro-Erlebnis nennen. Eine Aufführung, die man glücklich verlässt und  dabei erkennt, daß man ein relevantes Erlebnis hatte, von dem man spätestens im Nachhinein weiß, daß man es nicht hätte verpassen wollen. Retro ist das nicht, weil diese Tosca im 15. Jahr gespielt wird, sondern weil diese Form der künstlerisch geglückten Erfahrung nach dem Amtsantritt des aktuellen Intendanten seltener geworden ist. Der Standpunkt der Karlsruher Oper ist auch im vierten Jahr diskutabel und steht aktuell im Brennpunkt der Diskussion. Eine neue Maßnahme für die kommende Spielzeit wird vom Badischen Staatstheater behutsam verbreitet. Aus Reihen der regelmäßigen und gut vernetzten Stammbesucher ist zu hören, daß in der Saison 2015/16 anscheinend nur Opern des 19. Jahrhunderts (ausgenommen natürlich Händel) zu hören sein werden, darunter sollen überwiegend Werke des Kernrepertoires sein, also keine Raritäten, nichts wie auch immer geartetes "Modernes", auch kein Richard Strauss. Doch das sind bisher nur Gerüchte. Mehr dazu im Januar oder später.

Bravos für eine gelungene Aufführung
Im vergangenen Jahrzehnt hat Barbara Dobrzanska mit ihrem dramatischen Sopran die Rolle der Tosca in Karlsruhe derart geprägt, daß man sich kaum jemand anderen vorstellen kann. Von den knapp 60 Toscas hat sie wahrscheinlich deutlich mehr als die Hälfte gesungen und auch gestern begeisterte sie das Publikum. Brava!
Große Zustimmung und viele Bravos erhielt auch Andrea Shin als Cavaradossi. Er meistert seine Rolle und die berühmte Arie im dritten Akt klangschön und unangestrengt mit offener und höhensicherer Stimme. Shin zählt inzwischen zu den Sängern, die gelten und hoffentlich auch Rollen bekommen, die für ihn prädestiniert sind: Verdi, Donizetti und Bellini sollten es schon sein.
Scarpia hat in dieser Inszenierung schon ganz unterschiedliche Interpretationen erlebt. Jaco Venter verortet seinen Scarpia weniger als lauernden Lüstling oder dominanzsuchenden Zyniker, sondern als Sadisten: Er quält mit Freude, und das sowohl stimmlich als auch spielerisch überzeugend.
Johannes Willig dirigierte umsichtig und engagiert: den Sängern gab er ausreichend Entfaltungsspielraum, das Orchester steigerte er immer wieder zu großen Momenten.

Fazit: Auch zum wiederholten Male ein Genuß! Ein herzliches BRAVO an alle Sänger und Musiker.

PS: Die Premierenbesetzung im Jahr 2000: Tosca: Olga Romanko, Cavaradossi: Kostadin Andreev, Scarpia: Hartmut Welker, Dirigent: Kazushi Ono.