Dienstag, 18. Februar 2014

Rückblick: Radamisto, Händel Festspiele 2009

Die von der belgischen Regisseurin und Choreographin Sigrid T'Hooft szenisch in einer historisch informierten Aufführungspraxis inszenierte Händel-Oper Radamisto hinterließ 2009 bei vielen einen unvergesslichen Eindruck und hatte etwas Bezauberndes. Am Freitag erfolgt nun die Premiere der Kerzenlichtproduktion des französischen Barock-Spezialisten Benjamin Lazar mit Händels Riccardo Primo und die Karlsruher Händel-Fans werden neugierig auf die stilistischen Unterschiede schauen. Hier ein kurzer Rückblick.

Was zeichnete Radamisto aus?
Für Sigrid T'Hooft ging es darum, die Oper mit historischen Stilmittel zu beleben und möglichst so zu zeigen, wie sie ausgesehen haben könnte. Zu Händels Zeiten gab es weder Regisseur noch Inszenierung, die Sänger wussten selber was zu tun war. Für Radamisto liegt ein historisches Soufflierbuch vor, das Auf- und Abgänge verzeichnete (wer geht wann und wo auf die Bühne und wieder ab) und die Anzahl der Statisten beinhaltete - und das waren damals ziemlich viele: über zwanzig, eine Zahl die in Karlsruhe 2009 in dieser Höhe nicht nachgeahmt wurde.

Es wurde keine zusätzliche Geschichte inszeniert, keine zusätzlichen Nebenstränge kreiert, sondern nur die Handlung des Librettos gezeigt. Die Dramatik fand dabei in den Rezitativen statt, unterstützt durch Mimik, Gestik und Handbewegungen, durch die Position der Sänger und das Auf- und Abgehen von der Bühne. Die Figuren wurden anti-psychologisch dargestellt. Die Arien waren quasi konzertant, die Sänger standen an der Rampe, blickten stets ins Publikum und nicht andere Figuren an. Die Figur, an die die Arie gerichtet war und den Gefühlsausbruch ausgelöst hatte war zwar ebenfalls auf der Bühne, doch wer nicht sang, stand im Hintergrund und gehörte zum Dekors. Während den Arien wurde das Publikum auf eine visuelle Reise mitgenommen. Die Arien mit  ihrer A-B-A' Struktur wurden durch Positionswechsel verdeutlicht. Der A-Teil, in dem der Affekt verdeutlicht wurde,  war am rechten Bühnenrand, der B-Teil, der die persönliche Färbung und den Grund für die Emotion erläutert, am linken. Der abschließende A'-Teil, bei dem der Grundaffekt erneut dargestellt und durch Koloraturen verschönt wird, erfolgte in der Mitte.

Das Barock mochte keine geraden Linien: die Sänger bewegten sich in C- oder S-Kurven von einem Punkt zu anderen. Gute Affekte wurden mit der rechten Hand verdeutlicht, schlechte mit der linken. Man sah offene (einladende) und geschlossene (abweisende Hände). Überhaupt wurden die Hände zum Verdeutlichen der Emotionen, der Situation, auch des Inhaltes und der Satzstruktur verwendet. Barockes Pathos entsprach einer kontrollierten Emotionalität - es gab fast keine Berührungen auf der Bühne. Die üppigen Kostüme verdeutlichten den sozialen Rang, beispielsweise durch die Länge der Schleppe. Die prachtvollen Gewänder wurden nach Kostüm-Zeichnungen der Uraufführung angefertigt. Die tief-perspektivische Bühne zeigte aufwendig gemalte Bühnenbilder und verwandelte sich bei offenem Vorhang. Die Bühne war nur durch ca 650 Kerzen erleuchtet und tauchte alles in ein magisches, honigfarbenes Licht. Freiheiten nahm sich die Regisseurin bei den Tanzszenen, die ohne konkrete Vorbilder gestaltet wurden. Statisten und Tänzer kamen teilweise aus einer anderen Epoche als die Opernhandlung: ihre Kostüme zeigten ein englisches Ambiente zur Zeit der Komposition Händels.