Freitag, 28. Februar 2014

Händel - Riccardo Primo, 27.02.2014

Nach Generalprobe und Premiere erfolgte gestern nun schon wieder die letzte Vorstellung der Spielzeit und man muß dem Badischen Staatstheater und seinem Festspielleiter Dr. Bernd Feuchtner gratulieren: die Kritiken zu Riccardo Primo waren rundweg sehr gut und auch begeistert. Interessanterweise hatten sehr viele Zuschauer im Vorfeld zu diesem Riccardo Primo keine Zweifel am Erfolg und besorgten sich sehr frühzeitig Karten. Alle Vorstellungen waren schon lange im Voraus ausverkauft. Und welchen stärkeren Vertrauensbeweis als im Vorverkauf könnte man den Karlsruher Händel Festspielen entgegenbringen? Man hat sich in Karlsruhe seine Reputation und sein Barock-Publikum über Jahrzehnte aufgebaut und während der letzten Intendanz wurden z.B. mit Sängern wie Kirsten Blaise und Franco Fagioli sowie der ersten Kerzenlicht-Oper Radamisto die Grundlagen für den heutigen Erfolg gelegt. Es wird wichtig sein, daß man in Reihen des Badischen Staatstheaters nun dennoch das Augenmaß nicht verliert. Kosteten die Eintrittskarten für Alessandro vor 2 Jahren noch zwischen 9.- und 34.- Euro, liegt man nächstes Jahr bereits zwischen 16.- und 60.- Euro - ein Preisanstieg von ca. 76% in drei Jahren. Gleichzeitig wurde die Anzahl der Karten in der 5. Preiskategorie verringert. Die vorangetriebene Kommerzialisierung und ökonomische Optimierung des Hauses zeigt hier deutliche Spuren. Bei den Händel Festspielen sind diese höheren Preise auch teilweise angebracht - die Entwicklung muß man dennoch im Auge behalten.

Über 200 Jahre ruhte Riccardo Primo im Dornröschenschlaf bis die Oper in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder aufgeführt wurde. Und in den europäischen Archiven ruhen seit inzwischen fast 300 Jahren unerhörte Opern anderer damals tätiger Opernkomponisten. Die Schatzsucher sind schon längst unterwegs, um Kostbarkeiten zu sammeln, zu veröffentlichen und neu einzuspielen (mehr dazu hier). Wieso ist Barockmusik zur Zeit so gefragt? Sie passt in unsere Zeit und ist doch ihr Gegenteil: Pop vergesellschaftete Musik, Barockopern waren für die reiche Bevölkerung. Kommerziell sind sie beide: Kastraten war die ersten Pop-Stars - das wohlhabende Publikum kam, um sie zu hören. Die Bezahlung der Sänger lag oft höher als die des Komponisten. Die Opern und Arien von damals sind die Pop-Songs von heute - man benötigte ständig Nachschub und neue Abwechslung. Man muß heutzutage Zeit mitbringen und sich dieser Musik öffnen, um eine stimmungsgemäße Inbesitznahme und Übernahme durch eine Barockoper zu erlauben. Wenn man sich darauf einlässt -und sogar vielen Opernfans fällt dieses Loslassen schwer; sie erleben drei Stunden Spielzeit einer Händel Oper als zu lange und langwierig und sehnen sich nach Verdi  etc.-, wenn man sich also darauf einlässt, dann erlebt man ein anderes Zeitmaß, überreiche Harmonie und ein entspanntes Aufgehen im Klang, eine Gestimmtheit der Ausgeglichenheit und Unaufgeregtheit. Das dies bei dieser Inszenierung unterstützt wird, ist der schönste Aspekt der Produktion. Musikalisch und szenisch ist diese Oper ein Genuß und man merkt, wie viel Erfahrung das Inszenierungsteam um Benjamin Lazar einbringt: von der Lichtregie, den im Kerzenlicht wunderschön scheinenden Kostümen und der pittoresk-stimmigen Gesamtanlage, bei der die Personenregie vor allem dekorativ ist.

Viel Applaus, viel Bravos - eine Produktion, an die man sich noch lange gerne erinnern wird und bei der man neben den Hauptsängern auch unbedingt die Gäste in den Nebenrollen hervorheben muß: Mit Nicholas Tamagna und Lisandro Abadie hat man zwei Sänger in den kleineren Rollen, die man gerne zukünftig auch in einer größeren Partie hören möchte. Und auch die hauseigenen Sänger Emily Hindrichs und Andrew Finden werden nach ihren Auftritten neue Fans haben. Wie schon traditionell war der gute Ton der 40 Musiker der Händel-Solisten ein Genuß und besonderes Merkmal der Karlsruher Händelwoche. Michael Hofstetter dirigierte so, wie man ihn aus früheren Auftritten in Karlsruhe kennt:  mit einem wunderbar federnden und den Klang auslebenden Schwung. Franco Fagioli zeigt sein Kunststück zwischen tiefer Emotionalität und Virtuosität - für Karlsruhe ein wiederholter Glücksfall - wie die gesamte Produktion und die über 35jährige Vorbereitung und Verankerung im Karlsruher Publikum durch die Händel Festspiele.

Als um 23.40 Uhr der letzte Applaus verklang (sogar Regisseur Benjamin Lazar kam noch auf die Bühne, um sich den Jubel des Publikums abzuholen), gab es nur einen Wermutstropfen: es dauert nun ein Jahr bis zur nächsten Aufführung im Februar 2015. Karten dafür kann man schon erwerben.

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