Montag, 21. November 2011

Siegfried (Ballett Uraufführung), 19.11.2011

Seitdem Birgit Keil 2003 die Leitung des Karlsruher Balletts übernommen hat, ist die große Handlungsballett-Premiere im Herbst zu einem der Prestige-trächtigsten Premierenabende der Spielzeit geworden und viele erinnern sich gerne an die umjubelten Aufführungen von Giselle, Coppelia, Les Sylphides, Anna Karenina, Prokofiews Romeo und Julia, Schwanensee, Nußknacker und anderer Ballette in den letzten Jahren. Siegfried reihte sich am Samstag erfolgreich in diese Liste ein.


Passend zum diesjährigen Spielzeit Motto “Von Helden“ wurde der Siegfried Mythos vom Regisseur Peter Breuer choreografiert und inszeniert; die Handlung wurde von  Andreas Geier balletttauglich neu geschrieben. Und es passte: Breuer gelang ein spannender, abwechslungsreicher und interessanter Tanzabend, der Einzeltänzer und Ensemble gleichermaßen fordert.
Wie immer in den letzten Jahren war die Premiere bei weitem noch nicht perfekt: es gab Abstimmungsprobleme und deutliche Synchronisierungsdefizite. Admill Kuyler tanzt die Hauptrolle, der 1.Solist Flavio Salamanka ist Gunther, doch Peter Breuer hat vor allem die Rollen der Kriemhild (Bruna Andrade) und Brünhilde (Barbara Blanche) mit großen Emotionen  versehen. Alle Tänzer wurden vom Premierenpublikum lange und ausgiebig gefeiert.

Dorin Gal hat für Bühne und Kostüme eine düstere Version entwickelt. Schwarz dominiert den Farbeindruck des Abends, ergänzt durch Rot und Weiß. Gal schafft beziehungsreiche Bilder: ein gigantischer Ring erinnert an Wagner, Video-Projektionen lehnen an den letzten Karlsruher Wagner-Ring von Denis Krief an. Nicht nur bei Siegfrieds Kampf mit dem Drachen entgeht er gekonnt jedem Kitsch-Verdacht. Gal trägt einen großen Anteil des Erfolgs: seine stimmigen Bilder sind die breite Grundlage dieser sehr guten Inszenierung.

Musikalisch greift der Abend nicht nur auf Ausschnitte aus Richard Wagners Nibelungenring zurück, sondern auch auf Franz Liszt (Dante Symphonie) und besonders auf John Adams (Harmonielehre, Shaker Loops, Shaking and Trembling, Short Ride in a Fast Machine, My Father knew Charles Ives,…).  Diese Musikzusammenstellung mag auf den ersten Blick überraschen, doch ist sie so gekonnt und passend, dass der Abend wie aus einem Guß wirkte. Christoph Gedschold dirigierte grandios. Zeitweilig stahl er dem Ballett fast die Schau und das Publikum achtete mehr auf das Orchester als auf die Bühne. Gedschold empfahl sich nicht nur als Wagner-Dirigent, vor allem den hypnotischen Sog der Adams Stücke macht er zum intensiven musikalischen Höhepunkt. Das Orchester des Abends war zu groß für den Orchestergraben und musste außerhalb platziert werden: Die Harfen saßen schon wie bei den Trojanern am linken Rand des Zuschauerraums, das umfangreiche Schlagzeug wurde von der Probenbühne hinzugespielt. Wie schon zuletzt bei den Trojanern war der musikalische Eindruck großartig und der symphonische Siegfried ein Ereignis! Gedschold und das Orchester waren die heimlichen Stars dieses Ballettabends und wurden entsprechend vom Publikum bejubelt.

Fazit: das Ballett-Publikum  wird in Siegfried genauso strömen wie in die dieses Jahr gespielten Tschaikowsky-Ballette. Und auch wenn man kein Ballett-Freund ist, sollte man sich den Abend als überwältigendes Symphoniekonzert nicht entgehen lassen.

PS: mehrere Opernsänger waren im Publikum, Heidi Melton, Katharine Tier und Eleazar Rodriguez waren ebenso anzutreffen wie die früheren Intendanten Thorwald und Könemann (, der ja immer noch regelmäßig spartenübergreifend anwesend ist).